Gustav Mahler
Die Sonne scheidet
Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.
In alle Täler steigt der Abend nieder
mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.
O sieh! wie eine Silberbarke schwebt
der Mond am blauen Himmelssee herauf.
Die Erde atmet voll von Ruh und Schlaf.
Alle Sehnsucht will nun träumen.
Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.
Die Welt schläft ein!
Hans Bethge (1876–1946)
Wilhelm Grosz
Schlummerliedchen
Schlaf, Kindlein, schlaf!
Es war einmal ein Schaf,
das Schaf das ward geschoren,
da hat das Schaf gefroren.
Schlaf, Kindlein, schlaf.
Da zog ein guter Mann
ihm seinen Mantel an.
Jetzt brauchts nicht mehr zu frieren,
kann froh herumspazieren.
Schlaf, Kindlein, schlaf …
Christian Morgenstern (1871–1914)
Gustav Mahler / Moritz Moszkowski
Drei Vögel, davon ein Esel
Einstmals in einem tiefen Tal
Kuckuck und Nachtigall
täten ein Wett anschlagen:
Zu singen um das Meisterstück,
gewinn es Kunst, gewinn es Glück –
Dank soll er davon tragen.
Der Kuckuck sprach: »So dir’s gefällt,
hab ich den Richter wählt«,
und tät gleich den Esel ernennen.
»Denn weil er hat zwei Ohren groß,
so kann er hören desto bos!
Und, was recht ist, kennen!«
Sie zogen vor den Richter bald.
Wie dem die Sache ward erzählt,
schuf er, sie sollten singen.
Die Nachtigall sang lieblich aus!
Der Esel sprach: »Du machst mir’s kraus!
Du machst mir’s kraus! I-a! I-a!
Ich kann’s in Kopf nicht bringen!«
Der Kuckuck drauf fing an geschwind
sein Sang durch Terz und Quart und Quint.
Dem Esel g’fiels, er sprach nur »Wart!
Dein Urteil will ich sprechen.
Wohl sungen hast du Nachtigall!
Aber Kuckuck, singst gut Choral!
Und hältst den Takt fein innen!
Das sprech ich nach mein’ hoh’n Verstand!
Und kost es gleich ein ganzes Land,
So lass ich’s dich gewinnen!
Kuckuck! Kuckuck! I-a!«
Kuckuck hat sich zu Tode gefallen,
an einer grünen Weiden!
Kuckuck ist tot, hat sich zu Tod’ gefallen!
Wer soll uns denn den Sommer lang
die Zeit und Weil’ vertreiben?
Kuckuck! Kuckuck!
Ei! Das soll tun Frau Nachtigall!
Die sitzt auf grünem Zweige!
Die kleine, feine Nachtigall,
die liebe, süße Nachtigall!
Sie singt und springt, ist allzeit froh,
wenn andre Vögel schweigen!
Liebe kleine Nachtigall,
wenn der Sommer vergeht,
dann spende deinen süßen Schall,
ehe du nach Süden fliegst!
Liebe kleine Nachtigall,
spende deinen süßen Schall!
Singe, jubel noch einmal
deine alten Lieder!
Grüße und tausend Küsse,
nimm sie behutsam und fein
auf dein zart Flügelein
und dann flattre langsam fort!
Liebe kleine Nachtigall!
Wenn der Sommer vergeht:
Singe, jubel noch einmal
deine alten Lieder!
Liebe kleine Nachtigall!
Wenn der Sommer vergeht: Ah!
Aus »Des Knaben Wunderhorn« sowie von
Nani Intrator (»Liebe kleine Nachtigall«)
Carl Loewe
Der verliebte Maikäfer
»Glühwürmchen, steck’s Laternchen an!
Ich will ein Ständchen bringen,
zur roten Tulpe führ mich hin,
da wohnt meine schöne Fliege drin,
die hört so gern mich singen!«
Maikäfer spricht’s, der eitle Geck,
er knüpft nach Stutzerweise
sein braunes Röckchen zierlich auf,
zieht kraus die Flügel draus herauf,
und macht sich auf die Reise.
Auf gold’nem Stühlchen saß daheim
schön’ Fliege gar app’titlich,
trank ihren Tau in guter Ruh,
aß etwas Blumenstaub dazu
und war so recht gemütlich.
Da leuchtets durch die rote Wand,
sie war gar fein gewoben;
da summt es drauß, da brummt es drauß,
da wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen saß oben.
Schön’ Fliege denkt: »Du alter Narr,
du kommst mir recht zu passe!«
Sie fliegt zum Dach und gießet schlau
einen ganzen großen Tropfen Tau
dem Käfer auf die Nase.
Kalt Wasser, von so zarter Hand
auf heißes Blut gegossen,
das kühlt ein wenig heftig ab,
Maikäfer stürzt im Nu herab,
als wär er totgeschossen.
Doch kaum erholt er sich vom Schreck,
da spricht er ohn’ Verdrießen:
»Das Zuckerkind! wie denkt sie mein!
Wollt’ mich mit süßem Trank erfreu’n,
tät nur zu viel vergießen!«
Schön’ Fliege macht die Äuglein zu
und meint: Der kommt nicht wieder;
da summt es drauß, da brummt es drauß,
da wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen kam wieder.
Schön’ Fliege denkt: »Nun warte, Wicht,
ich will im Takt dich rütteln!«
Sie fliegt vom Wand zu Wand herum,
dass sich die ganze Tulpenblum’,
als wär ein Sturm, muss schütteln.
Wer hoch in Liebesträumen schwebt,
sieht nicht auf Steg und Wegen,
die Tulpenwände waren glatt,
und eh’s der Käfer merken tat,
hat unten er gelegen.
Doch kaum erholt er sich vom Schreck,
vergessen war das Leiden:
»O je! wie bin ich doch beglückt,
mein Ständchen hat sie so entzückt,
dass hoch sie sprang vor Freuden!«
Schön’ Fliege, bald im Schlummer schon,
sie denkt: Der kommt nicht wieder;
da summt es drauß, da brummt es drauß,
da wankt und schwankt das Tulpenhaus,
Maikäferchen kam wieder.
»Jetzt hab’ ich den Gesellen satt,
soll mir nicht wiederkommen;
ist nur die Sonne erst erwacht
und hat mein Häuschen aufgemacht,
dann soll’s ihm schlecht bekommen!«
Und wie die liebe Sonne
durch die ersten Fugen blinket,
da stürmt im Fluge sie hervor,
schlägt mit den Flügeln ihm ums Ohr,
dass tief ins Gras er sinket.
Doch bald erholt er sich vom Schreck:
»Nun ist mein Glück vollkommen!
Sie wollt’ mich küssen offenbar,
da musste grad ich dummer Narr
ihr untern Flügeln kommen!
Glühwürmchen, lisch dein Lichtchen aus,
musst nicht so viel vergeuden!
wir brauchen’s heute Abend doch,
da kommen wir viel früher noch!
es macht ihr tausend Freuden!«
Aus: »Lieder – Romanzen und Balladen« von Robert Reinick (1805–1852)
Carl Loewe
Der Kuckuck
Einmal in einem tiefen Tal
der Kuckuck und die Nachtigall
eine Wett’ täten anschlagen,
zu singen um das Meisterstück:
Wer’s gewänn aus Kunst oder aus Glück,
Dank sollt er davon tragen.
Der Kuckuck sprach: »So dir’s gefällt,
hab der Sach einen Richter erwählt.«
Und tät den Esel nennen.
»Denn weil der hat zwei Ohren groß,
so kann er hören desto bass,
und was recht ist, erkennen.«
Als ihm die Sach nun ward erzählt,
und er zu richten hat Gewalt,
schuf er: Sie sollten singen!
Die Nachtigall sang lieblich aus;
der Esel sprach: »Du machst mir’s kraus;
ich kann’s in Kopf nicht bringen.«
Der Kuckuck fing auch an und sang,
wie er denn pflegt zu singen:
Kuckuck, Kuckuck, lacht fein darein,
das g’fiel dem Es’l im Sinne sein,
er sprach: »In allen Rechten
will ich ein Urteil sprechen.«
»Hast wohl gesungen, Nachtigall!
Aber Kuckuck singt schön Choral,
und hält den Takt fein innen.
Das sprech ich nach mei’m hoh’n Verstand,
und ob es gölt ein ganzes Land,
so lass ich’s dich gewinnen.«
Aus: Johann Gottfried Herder, »Stimmen der Völker in Liedern«
Carl Loewe
Die Katzenkönigin
’s war mal ’ne Katzenkönigin, ja, ja!
Die hegte edlen Katzensinn, ja, ja!
Verstund gar wohl zu mausen,
liebt’ königlich zu schmausen, ja, ja,
Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen,
schlafe du nur!
Die hatt ’nen schneeweißen Leib, ja, ja!
So schlank, so zart, die Hände so weich, ja, ja!
Die Augen wie Karfunkeln,
sie leuchteten im Dunkeln, ja, ja,
Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen,
schlafe du nur!
Ein Edelmausjüngling lebte zur Zeit, ja, ja!
Der sah die Königin wohl von weit, ja, ja!
’ne ehrliche Haut von Mäuschen,
der kroch aus seinem Häuschen, ja, ja!
Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen,
schlafe du nur!
Der sprach: »In meinem Leben nicht, ja, ja!
Hab ich gesehn so süßes Gesicht, ja, ja!
Die muss mich Mäuschen meinen,
sie tut so fromm erscheinen.« Ja, ja!
Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen,
schlafe du nur!
Der Maus: »Willst du mein Schätzchen sein? Ja, ja!«
Die Katz: »Ich will dich sprechen allein, ja, ja!«
»Heut’ will ich bei dir schlafen!«
»Heut’ sollst du bei mir schlafen«, ja, ja,
Katzennatur! ja, ja,
Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen,
schlafe du nur!
Der Maus, der fehlte nicht die Stund, ja, ja!
Die Katz, die lachte den Bauch sich rund, ja, ja!
»Dem Schatz, den ich erkoren,
dem zieh ich’s Fell über die Ohren.« Ja, ja,
Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen,
schlafe du nur!
»Lieder und lyrisch epische Gedichte« von Adelbert von Chamisso (1781–1838)
Carl Loewe
Kleiner Haushalt
Einen Haushalt klein und fein
hab ich angestellt,
der soll mein Gast sein,
dem er wohlgefällt.
Der Specht, der Holz mit dem Schnabel haut,
hat das Haus mir aufgebaut,
dass das Haus beworfen sei,
trug die Schwalbe Mörtel bei,
und als Dach hat sich zuletzt
oben drauf ein Schwamm gesetzt.
Drinnen die Kammern
und die Gemächer,
Schrank und Fächer
flimmern und flammern,
alles hat mir unbezahlt
Schmetterling mit Duft bemalt.
O wie rüstig in dem Haus
geht die Wirtschaft ein und aus.
Wasserjüngferchen, das flinke,
holt mir Wasser, das ich trinke,
Biene muss mir Essen holen,
frage nicht, wo sie’s gestohlen.
Schüsseln sind die Eichelnäpfchen
und die Krüge Tannenzäpfchen,
Messer, Gabel,
Rosendorn und Vogelschnabel.
Storch im Haus ist Kinderwärter,
Maulwurf Gärtner,
und Beschließerin im Häuslein
ist das Mäuslein.
Aber die Grille
singt in der Stille,
sie ist das Heimchen, ist immer daheim,
und weiß nichts als den einen Reim.
Doch im ganzen Haus das beste
schläft noch feste.
In dem Winkel, in dem Bettchen
zwischen zweien Rosenblättchen
schläft das Schätzchen Tausendschönchen,
ihr zu Fuß ein Kaiserkrönchen.
Hüter ist Vergissmeinnicht,
der vom Bette wanket nicht,
Glühwurm mit dem Kerzenschimmer
hellt das Zimmer.
Die Wachtel wacht
die ganze Nacht,
und wenn der Tag beginnt,
ruft sie: Kind! Kind!
Wach auf geschwind.
Wenn die Liebe wachet auf,
geht das Leben raschen Lauf.
In seidnen Gewändern,
gewebt aus Sommerfaden,
in flatternden Bändern,
von Sorgen unbeladen,
lustig aus dem engen Haus,
lustig auf die Flur hinaus!
Schönen Wagen
hab’ ich bestellt,
uns zu tragen
durch die Welt.
Vier Heupferdchen sollen ihn
als vier Apfelschimmel ziehn;
sie sind wohl ein gut Gespann,
das mit Rossen sich messen kann.
Sie haben Flügel,
sie leiden nicht Zügel,
sie kennen alle Blumen der Au
und alle Tränken von Tau genau.
Es geht nicht im Schritt.
Kind kannst du mit?
Es geht im Trott,
nur zu mit Gott!
Lass du sie uns tragen
nach ihrem Behagen.
Und wenn sie uns werfen vom Wagen herab,
so finden wir unter Blumen ein Grab.
Aus »Jugendlieder« von Friedrich Rückert (1788–1866)
Carl Loewe
Wer ist Bär?
»Mach auf, mach auf, mach auf deine Tür,
charmantestes Kind, ich steh dafür!«
»Wer bist du dann? Mein Vater spricht,
vor Bär und Wölfen öffne nicht.«
»Ich bin ein Bär, ein Wolf, ein Fuchs,
eine kleine Maus, ein Adler, ein Luchs,
ich kriech und saus und schleich und schwirr;
eh du dich’s versiehst, ich bin bei dir!«
»Ich bin in meiner Kammer mutterseelenallein,
für so viel Tiere ist sie viel zu klein!«
»Steh auf, mach auf, riegel auf, mein Schatz,
es ist schon neben dir noch Platz!«
»Keine Maus kann ich nit rascheln hör’n,
hab gar zu große Angst vor Bär’n.
Der Wolf, der ist ein Tier nit fein,
Fuchs, Luchs und Adler fressen meine Küchelein.«
»Spring auf, riegel auf, mach nit zu lang,
mein Herz schlägt wie ein Glockenstrang.
Ein schwaches Brett ist nur dein Tür,
komm nur aus deinem Bett herfür!«
»Du bist ja nit ein Wolf, ein Fuchs,
keine kleine Maus, kein Adler, kein Luchs.
Du bist ein schwarzer, schwarzer Bär,
was kommst du in meine Kammer her?«
»Ich komme von dem Wiesewachs,
allwo die Biene sammelt Wachs,
ich komme aus dem grunen Wald,
da wo sie ihren Honig halt.«
»Wie hässlich ist dein großer Mund,
wie drückt deine raue Tatze wund.«
»Damit klettr’ ich auf alle Bäum
um süßen, süßen Honigseim.«
»Wie stachlicht deine Zunge ist,
und wie du gar gefräßig bist.«
»Damit leck ich den Morgentau
und süße Beeren, rot, gelb und blau.«
»Ach, lieber Bär, zerreiß mich nicht,
bin meiner Mutter Augenlicht,
meine Mutter ist des Schulzen Frau,
der Schulze schlägt mich braun und blau.«
»Bist du deines Vaters Tochter schon,
bin ich auch meiner Mutter Sohn,
und wär dein Vater auch ein Bär,
bin ich ja doch dein gnäd’ger Herr.«
Wilhelm Häring alias Willibald Alexis (1798–1871)
Gustav Mahler
Zum letzten Lebewohl
Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.
Ich stehe hier und harre meines Freundes.
Ich harre sein zum letzten Lebewohl.
Hans Bethge
Gustav Mahler
Phantasie
Ins Leben schleicht das Leiden
sich leise wie ein Dieb.
Wir alle müssen scheiden,
von allem was uns lieb.
Joseph von Eichendorff (1788–1857)
Gustav Mahler
Wo bleibst du?
Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite
die Schönheit dieses Abends zu genießen.
Wo bist du? Du lässt mich lang allein!
Hans Bethge
Gustav Mahler
Um Mitternacht / Mir war das Glück nicht hold
Um Mitternacht
hab ich gewacht
und aufgeblickt zum Himmel;
kein Stern vom Sterngewimmel
hat mir gelacht
um Mitternacht.
Um Mitternacht
nahm ich in acht
die Schläge meines Herzens;
ein einz’ger Puls des Schmerzens
war angefacht
um Mitternacht.
Gustav Mahler
Um Mitternacht
kämpft ich die Schlacht,
o Menschheit, deiner Leiden;
nicht konnt’ ich sie entscheiden
mit meiner Macht
um Mitternacht.
Er stieg vom Pferd und reichte ihm
den Trunk des Abschieds dar.
Er fragte ihn, wohin er führe
und auch warum es müsste sein.
Er sprach, seine Stimme war umflort:
»Du, mein Freund,
mir war auf dieser Welt
das Glück nicht hold!«
Friedrich Rückert / Hans Bethge, nach Wang Wei (701–761)
Gustav Mahler
Neuschluderbacher Tanz
Ich bin nicht krank und nicht gesund,
ich bin blessiert und hab kein Wund;
ich tät gern essen und schmeckt mir nichts;
ich hab ein Geld und gilt mir nichts,
ich weiß nicht wie mir ist!
Aus »Des Knaben Wunderhorn«
Carl Loewe
Totengräberlied
In meiner Jugend als ich liebte,
wie dünkte mich das süß!
Und wie vielerlei ich sonst verübte,
nichts dünkt mich schön wie dies!
Hamlet Hat dieser Bursche kein Gefühl von seinem Geschäft? Er singt, indem er ein Grab gräbt.
Horatio Gewohnheit hat gemacht, dass es zu seinem Wohlsein gehört.
Hamlet So ist’s, freilich. Die Hand, die am wenigsten tut, hat die zarteste Empfindung.
Doch Alter mit dem Diebesschritt
packt mich mit seiner Faust
und hat mich aus dem Land geschifft,
als hätt ich dort nie gehaust.
Hamlet Ja, ja, und nun ohne Fleisch, und mit dem Spaten eines Totengräbers um die Kinnbacken geschlagen! Die meinigen tun mir wehe, wenn ich daran denke.
Die Hacke und der Spaten,
dann ein Leichenhemd dazu
und, o, ein Loch von Lehm
geht an für einen Gast wie du.
Hamlet Wessen Grab ist da, Mensch?
Erster Totengräber Mein’s, Herr! Nicht das meines Kameraden und, o, ein Loch von Lehm steht an so einem Gast wie du!
Nach »Hamlet«, Akt 5, Szene 1, von William Shakespeare (1564–1616)
Gustav Mahler
Wohin ich geh’?
Wohin ich geh’?
Ich geh, ich wandre in die Berge.
Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.
Hans Bethge, nach Wang Wie
Carl Loewe
Tod und Tödin
Wer ist so spät noch fleißig wach?
und schlägt und plätschert laut im Bach?
Sterbhemden wäscht die Tödin dort,
und pocht und dreht und bleichet fort.
Die Nacht ist schön, voll Mondenschein,
heut mags nicht schwer zu sterben sein.
Die Tödin rührt sich ohne Ruh’n,
als gäb’s noch viel für sie zu tun.
Sie ist ein schönes blasses Weib,
nur fast zu zart der schlanke Leib;
das Aug ist ernst und traurig schön!
Hat viele brechend wohl gesehn.
Doch nie hat’s, wie’s noch nie gelacht,
je eine Träne feucht gemacht.
Die ist so spät noch fleißig wach,
und schlägt und plätschert laut im Bach.
Sterbhemden wäscht die Tödin dort,
und pocht und dreht und bleichet fort.
Da schaut der Tod aus seinem Haus
im Freithofgrün, und ruft heraus:
»Du frommes Weib, bist du bereit?
Nun hab ich Ruh, ’s ist Schlafenszeit!«
Leis winkt sie, deckt die Linnen aus,
und schleicht dann still hinein ins Haus.
Der Tod greint sänftiglich sie an,
man sieht’s, er ist ein guter Mann.
Der Haushalt fördert Jahr für Jahr,
’s ist gar ein emsig wackres Paar.
Er streckt die Toten in den Schrein,
sie hüllt sie blank in Linnen ein.
Er scharrt sie finster tief hinab,
doch sie pflanzt Blumen auf dem Grab.
Adolf Ritter von Tschabuschnigg (1809–1877)
Richard Strauss
Morgen!
Und morgen wird die Sonne wieder scheinen
und auf dem Wege, den ich gehen werde,
wird uns, die Glücklichen, sie wieder einen
inmitten dieser sonnenatmenden Erde …
und zu dem Strand, dem weiten, wogenblauen,
werden wir still und langsam niedersteigen,
stumm werden wir uns in die Augen schauen,
und auf uns sinkt des Glückes stummes Schweigen …
Aus »Das starke Jahr« von John Henry Mackay (1864–1933)