Messa di Gloria
Konzerteinführung um 19 Uhr
mit Ivan Repušić und Anton Leiss-Huber
Moderation: Christopher Mann
Programm
- Andante mosso – Animato
- Andante maestoso
Anton Leiss-Huber
»Puccini. Zwischen Zweifel und Hoffnung«
Rezitation durch den Autor
- Kyrie
- Gloria
- Credo
- Sanctus – Benedictus
- Agnus Dei
Mitwirkende
Ivan Repušić, seit 2017 Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, hat sich in den vergangenen Jahren bei Paradisi gloria vor allem mit oratorischen Werken aus seiner Heimat profiliert. Nun wendet er sich seiner zweiten großen musikalischen Leidenschaft, der italienischen Musik zu, und präsentiert die unbekannteren symphonischen und kirchenmusikalischen Seiten des Opernkomponisten Giacomo Puccini.
Sie war eine Abschlussarbeit des Studenten Giacomo Puccini (1858–1924), dennoch entfaltete die zu Lebzeiten unveröffentlichte Messa di Gloria erst in den 1950er Jahren ihre Wirkung, als man das Messen-Juwel durch Aufführungen in Chicago und Neapel wieder ins Bewusstsein der Musikwelt rückte.
Auch das Preludio sinfonico stammt aus Puccinis Studienjahren. Die zarten, schwärmerischen Streicherklänge der Crisantemi, benannt nach den traditionellen Blumen der Trauer, komponierte Puccini 1890 zum Gedenken an Herzog Amedeo von Savoyen und verwendete sie in der Sterbeszene der Titelheldin in Manon Lescaut.
Gesangstext – Messa di Gloria
Die Interpreten
Werkeinführung
Von der Kirche auf die Bühne
Werkeinführung von Florian Heurich
Eigentlich schien für den jungen Giacomo Puccini der Weg als Kirchenmusiker vorgegeben. Schon seit vier Generationen stellte die alteingesessene Musikerfamilie Puccini die Kapellmeister am Dom seiner Heimatstadt Lucca. Als der Vater starb, war Giacomo jedoch erst fünf Jahre alt und konnte daher dessen Amt nicht übernehmen. Er sang aber schon früh im Knabenchor und war bereits mit fünfzehn Jahren als Organist an mehreren Kirchen in Lucca beschäftigt. So kommt es auch, dass Puccinis allererste Kompositionen religiöse Werke sind: Während seiner frühen Studien am Konservatorium von Lucca entstanden 1877 eine Motette zu Ehren des Stadtpatrons San Paolino und im Jahr darauf ein Credo, das danach in die Messa a 4 voci (1880) aufgenommen wurde. Den Namen Messa di Gloria hat dieses Werk erst wesentlich später bei der Herausgabe der Partitur bekommen, und er ist irreführend, da er eigentlich eine nur aus Kyrie und Gloria bestehende Messe bezeichnet, Puccini hingegen das komplette Ordinarium vertont hat.
Die Laufbahn im Dienst der Kirche schlug Puccini schließlich nicht ein. Bald verließ er Lucca, um in Mailand weiterzustudieren. Die Messa di Gloria wie auch alle anderen Frühwerke sind jedoch zutiefst persönliche Schöpfungen eines jungen Musikers, dessen spätere Opernkarriere sich hier schon ankündigt. So spricht etwa aus dem 1882 für eine Jahresabschlussprüfung am Mailänder Konservatorium geschriebenen Preludio sinfonico Puccinis glühende Wagner-Verehrung, wobei der leise, schwebende Beginn in hoher Lage an das Lohengrin-Vorspiel denken lässt.
Die zunächst als Streichquartett konzipierte Trauermusik Crisantemi verfasste Puccini in Gedenken an Herzog Amedeo von Savoyen, der am 18. Januar 1890 gestorben war, und der morbide Duft der Friedhofsblumen durchzieht diesen dreiteiligen Andante-Satz. Passagen aus dem Werk flossen drei Jahre später in seinen ersten großen Opernerfolg Manon Lescaut ein. So erscheint das erste Thema, das zum Schluss wieder aufgenommen wird, dort zu Beginn des IV. Akts, wenn die Titelheldin in den Weiten der amerikanischen Ebene ihr Leben aushaucht. Das zweite Thema von Crisantemi taucht in der Oper ebenfalls als eine Art Klage- oder Trauermusik auf, nämlich wenn Des Grieux verzweifelt vor Manons Gefängnisfenster steht.
Vielleicht ist es bezeichnend, dass Puccini in Manon Lescaut auch einen Gedanken aus seiner Messa di Gloria noch einmal aufgreift. Die Melodie des Agnus Dei kehrt dort im II. Akt in Form eines barocken Madrigals wieder, das ein Sänger in den Gemächern der Titelfigur darbietet. Auch das Kyrie findet Eingang in eines seiner Bühnenwerke, nämlich in Edgar. Puccini war sich also der opernhaften Qualitäten seiner Messe wohl bewusst. In dieser Talentprobe, die er mit 21 Jahren, am Ende seiner Studien am Konservatorium in Lucca, geschrieben hatte, kurz bevor er in Richtung Mailand aufbrach, steckt zwar noch ein gutes Stück akademisch erlerntes Handwerk, jedoch schwingen zugleich ein jugendlicher Überschwang sowie ein Gespür für Melodik und echt empfundenes, zu Herzen gehendes Gefühl mit. Der einerseits eher auf ältere, »strengere« Kirchenmusik zurückgehenden kontrapunktischen Verarbeitung einiger Themen steht eine bisweilen durchaus theatralische Religiosität gegenüber, wie man sie später im I. Akt von Tosca oder in Suor Angelica wiederfinden wird. Auch in den Soli von Tenor und Bariton liegt oft der Schmelz einer Opernarie.
Dass Puccini die Familientradition als Kirchenmusiker nicht fortsetzen würde, zeichnete sich schnell ab, da er seine wahre Berufung als Komponist für die Bühne früh gefunden hatte.