Liberté – Willkommen zurück, Peter Dijkstra!

1. Chor-Abonnementkonzert
Samstag
1
Oktober 2022
20.00 Uhr
München, Prinzregententheater

Konzerteinführung: 19 Uhr im Gartensaal
mit Peter Dijkstra, Moderation: Bernhard Neuhoff

Chor-Abonnement

Programm

Orlando di Lasso
Lamentatio prima primi diei
für fünf Stimmen, LV 815
aus den »Lamentationes Jeremiae prophetae«
Igor Strawinsky
Anthem (The Dove Descending Breaks the Air)
für Chor a cappella
Igor Strawinsky
Psalmensymphonie
Fassung für Chor und Klavier zu vier Händen von Dmitrij Schostakowitsch

1. Exaudi orationem meam
2. Expectans expectavi Dominum
3. Alleluia. Laudate Dominum

Pause
Maxim Shalygin
While Combing Your Hair
für Chor a cappella
Francis Poulenc
Sonate
für Klavier zu vier Händen

1. Prélude. Modéré
2. Rustique. Naïf et lent
3. Finale. Très vite

Francis Poulenc
Figure humaine
für zwei gemischte Chöre

1. De tous les printemps du monde
2. En chantant les servantes s’élancent
3. Aussi bas que le silence
4. Toi ma patiente
5. Riant du ciel et des planètes
6. Le jour m’étonne et la nuit me fait peur
7. La menace sous le ciel rouge
8. Liberté

Mitwirkende

Lucas & Arthur Jussen Klavierduo
Chor des Bayerischen Rundfunks
Peter Dijkstra Leitung

Konzertvideo

Peter Dijkstra © Astrid Ackermann
Peter Dijkstra, Künstlerischer Leiter des Chores des Bayerischen Rundfunks (Foto: BR / Astrid Ackermann)

Willkommen, Peter Dijkstra! Der neue Künstlerische Leiter ist beim BR-Chor bestens bekannt, denn bereits von 2005 bis 2016 hatte er dieses Amt inne. Für seinen »zweiten Einstand« hat der vielseitige niederländische Dirigent titelgebend die große Hymne an die Freiheit von Francis Poulenc auf das bewegende Résistance-Poem von Paul Éluard ins Zentrum des Programms gesetzt.

Ein weiter Bogen wird geschlagen von den berühmten Lamentationen des Münchner Renaissance-Hofkapellmeisters Orlando di Lasso über Strawinskys neoklassizistische Psalmensymphonie (in der vom Komponisten autorisierten Fassung für Chor und Klavier von Dmitrij Schostakowitsch) bis zum brandaktuellen Chorsatz des ukrainisch-niederländischen Komponisten Maxim Shalygin, welcher der Belarussischen Bürgerrechtlerin Maria Kolesnikowa gewidmet ist.

»Es fühlt sich sehr vertraut an …«

In der Probenwoche zum Einstandskonzert konnten wir mit Peter Dijkstra über
Erfahrungen der letzten Jahre und zukünftige Projekte sprechen.
 

Wenn man jemanden nach längerer Zeit wiedersieht, möchte man gerne wissen: Wie geht es Ihnen, was haben Sie in den Jahren gemacht?

Ich hatte zunächst eine Chordirigieren-Professur in Köln angetreten, das war für mich eine neue und spannende Herausforderung. Und es ging zurück in die Heimat, denn ich war zum Chefdirigenten beim Nederlands Kamerkoor berufen worden. Dadurch konnte ich meiner Familie, mit der ich zuvor in Bayern lebte, die niederländische Kultur ein wenig näherbringen. Während der Corona-Zeit konnte ich in den Niederlanden glücklicherweise doch noch einiges realisieren, allerdings in anderen Formaten wie TV, Rundfunk und im Internet mit Live-Streams, ähnlich wie beim BR-Chor. In den Niederlanden wurde hingegen recht schnell wieder mit geringeren Abständen unter den Chormitgliedern gesungen. Dann ist meine »zweite Heimat« Bayern doch wieder ins Blickfeld gekommen. Nach einer Tournee saß ich am Flughafen, als das Telefon klingelte. Es war die Anfrage, ob ich nicht wieder zum BR-Chor zurückkommen möchte.

Es heißt, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – welcher Zauber ist es, beim BR-Chor ein zweites Mal als Künstlerischer Leiter zu beginnen?

Es fühlt sich sehr vertraut an. Und ich glaube, dass ich dem Chor etwas Neues bieten kann. Denn so wie der BR-Chor sich verändert hat, habe auch ich mich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und setze andere Akzente, und das kommt klanglich direkt zurück. Außerdem kann ich jetzt endlich das Repertoire beim BR-Chor machen, das in der ersten Amtszeit manchmal zu kurz kam, beispielsweise mehr A-cappella-Werke [Gesang ohne Instrumentalbegleitung, Anm. d. Red.], darauf freue ich mich.

Tatsächlich bietet die neue Saison mehrfach A-cappella-Gesang im Abo. Wie viel A-cappella braucht ein Chor?

Für die Klangpflege des Chores ist es sehr wichtig, anspruchsvolles A-cappella-Repertoire zu singen. Bei den großen, chorsymphonischen Werken steht natürlich der kraftvolle Chorklang im Vordergrund, damit der Chor ein Gegengewicht zum Orchester bilden kann. Hier wird gewissermaßen »nach vorne« gesungen, während sich der A-cappella-Klang eher »zur Seite« richtet, wobei das Miteinander-Singen und das Aufeinander-Hören wichtig sind. Da arbeiten wir dann an Intonation, am präzisen Klang der Vokale und an den unterschiedlichen Stilrichtungen. Und ich hake auch nach, motiviere und mache weiter, bis es richtig gut ist.

Was nehmen Sie aus der Corona-Pandemie an Erkenntnissen mit?

Interessant war vor allem, wie es klingt, wenn Sänger und Musiker weiter voneinander platziert sind. Bis zu ungefähr eineinhalb Meter Abstand zwischen den Sängerinnen und Sängern ist das Ergebnis erstaunlich gut, es fördert eigenverantwortliches Singen, man kann sich nicht so gut wegducken, jeder muss »liefern«. Das hat allen zusätzliche Energie gegeben. Und gerade kleinere Ensembles füllen in weiter Aufstellung akustisch gesehen einen Raum gleichmäßiger, der Klang streut also besser.

Klingen Chöre nach Corona anders?

Ich möchte nicht pauschalisieren, aber man merkt, dass bei den meisten Ensembles durch die Pause Routine und Selbstvertrauen ein wenig gelitten haben. Vor allem fällt mir auf, dass sie etwas mehr Anlaufzeit benötigen, um stimmlich verfeinert und präzise zusammensingen zu können.

In welche Richtung soll es mit dem BR-Chor in den kommenden Jahren gehen?

Mit dem Programm der aktuellen Spielzeit habe ich schon entscheidende Akzente gesetzt. Mir ist wichtig, dass der Chor in seiner Vielseitigkeit herausgefordert wird. Das Repertoire erstreckt sich von Musik meines Landsmannes Orlando di Lasso, der ja auch sein halbes Leben hier in München verbracht hat, bis hin zur Neuen Musik und auch zur Unterhaltungsmusik, wie wir es bei Vom Salon zum Broadway hören werden.

Alle vier großen Bach-Chorwerke sind von Ihnen mit dem BR-Chor schon in Ihrer ersten Amtszeit für die CD exemplarisch eingespielt worden. Howard Arman hat dann noch die Motetten übernommen. Was gibt es da in Sachen Bach noch zu tun? Welche Werke liegen dem Chor gut und würden ihn weiterbringen?

Bach wird immer wieder im Programm sein, aber ich möchte auch andere Schwerpunkte setzen, etwa in Richtung Romantik, was dem Chor sehr gut tut. Daher bereiten wir zum Bruckner-Jahr 2024 ein entsprechendes Programm inklusive CD-Produktion vor. Ein weiteres großes Anliegen ist das Chorwerk Via crucis von Franz Liszt, eine spannende Herausforderung für den Chor als Ganzes wie auch fürs solistische Singen im Chor.

Ihr Einstands-Programm bezieht zu aktuellen Themen Stellung, zum Teil sehr offensichtlich. Etwa mit einem Werk des ukrainisch-holländischen Multi-Talents Maxim Shalygin. Was können Sie zu »While Combing Your Hair«, das Sie ja auch uraufgeführt haben, erzählen? Wie kam der Kontakt zu Shalygin zustande?

Ich kenne Maxim schon länger und habe mehrere Werke von ihm uraufgeführt. Er hat While Combing Your Hair letztes Jahr für ein Konzert komponiert, das gar nicht so direkt mit dem Thema Freiheit und Unterdrückung verknüpft war. Ich hatte ihm die freie Wahl des Themas gelassen, auch was den Text anging. Es war seine Entscheidung, das Thema Belarus und die Unterdrückung von Maria Kolesnikowa zu wählen und eigene Verse dazu zu vertonen. Shalygin kennt die Dissidentin und Musikerin gut, die gegen das Regime aufgetreten ist und dafür ins Gefängnis musste. Hier bei der Planung der Programme mit dem BR-Chor hat uns die Wirklichkeit in Osteuropa eingeholt …

Vielen Dank, lieber Peter Dijkstra, für das Gespräch, alles Gute zum heutigen Einstandskonzert und für die gemeinsame Zeit mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks!

Das Gespräch führte Alexander Heinzel.

Die Interpreten
Werkeinführungen
Gesangstexte

Weitere Konzerte

Do. 30. Mai, 20.00 Uhr
München, Isarphilharmonie im Gasteig HP 8
Riccardo Muti (Foto: Todd Rosenberg, by courtesy of www.riccardomuti.com)
Riccardo Muti dirigiert Schubert, Haydn, Strauss
Abonnementkonzert des BRSO: Schubert – Messe Nr. 2 G-Dur u.a.
Sa. 15. Jun, 20.00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz
5. Chor-Abonnementkonzert 2023/24
Veni creator spiritus
Michael Hofstetter dirigiert Werke von Lasso, Praetorius, Schütz und Gabrieli sowie neue Chormusik von Richard van Schoor
Sa. 22. Mrz, 20.00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz
Chor-Abo plus 24/25 (Grafik: Klaus Fleckenstein)
Sir Simon Rattle – musica viva
Sir Simon Rattle präsentiert mit BR-Chor und BRSO Werke von Pierre Boulez, Luciano Berio und Helmut Lachenmann
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