Schubertiade
Programm
Mitwirkende
Begleiten Sie den BR-Chor, die bekannte Liedinterpretin Christina Landshamer, den vielseitigen Liedbegleiter Justus Zeyen und den Künstlerischen Leiter des Chores Howard Arman zu einer Schubertiade mit beliebten Männer- und Frauenchören sowie Solo-Liedern.
Schubertiade – ein Begriff, den der berühmte Liedkomponist selbst prägte. Er stand für eine sangesfrohe Zusammenkunft von Freunden und Musikliebhabern im privaten Kreis.
In jenen politisch unsicheren Zeiten des Biedermeier waren Schuberts Lieder und Ensemble-Gesänge weit mehr als nur Vertonungen von zeitgenössischer Lyrik. Vielfach loten sie doppelbödige Texte in genialem musikalischem Gewand aus, denn in seinen Melodien und Harmonien drückt sich vieles von dem aus, was die Verse selbst nicht auszusprechen wagen.
Werkeinführungen
Hausmusik für die Öffentlichkeit
Schuberts ein- und mehrstimmige Lieder zwischen Privatwohnung und Konzertsaal
Von Florian Heurich
Schubert sitzt am Klavier, daneben der Bariton Johann Michael Vogl, ringsherum sind 42 andächtig lauschende Damen und interessiert dreinblickende Herren versammelt. Es handelt sich um bekannte und weniger bekannte Maler, Literaten, Musiker und Intellektuelle aus Schuberts Freundeskreis. Man kann etwa den Dramatiker Franz Grillparzer oder den Sänger Freiherr Karl von Schönstein ausmachen, und vom Porträt im Hintergrund herab scheint die von Schubert verehrte Komtesse Karoline Esterházy zuzuhören.
»Ein Schubert-Abend bei Josef von Spaun« nannte der Maler und Schubert-Freund Moritz von Schwind seine Sepiazeichnung aus dem Jahr 1868, auf der er eine jener geselligen musikalischen Zusammenkünfte um den Komponisten festgehalten hat, die schon zu dessen Lebzeiten Schubertiade genannt wurden. Der Begriff wurde vermutlich durch Schuberts Freund Franz von Schober geprägt, und die erste dieser Zusammenkünfte fand im Januar 1821 in dessen Wiener Wohnung statt.
»Schubertiade«
Fortan wurden bis zum Tod des Komponisten 1828 regelmäßig solche Schubertiaden abgehalten, die bei unterschiedlichen Gastgebern aus dem Schubert-Kreis immer ähnlich abliefen: Schubert musizierte entweder alleine am Klavier oder als Begleiter eines Sängers oder einer Sängerin und stellte meist neue Werke vor; man las sich gegenseitig Belletristik vor und tauschte sich aus, danach wurde ein Imbiss gereicht oder es folgten ein Tanzabend und sogar gemeinsame Turnübungen. Zum Ritual gehörte auch, dass Schubert mit seinem engeren Zirkel zum Abschluss noch um die Häuser zog.
Trotz seines kurzen Lebens lassen sich an Schuberts Werken klare Entwicklungsstufen und mehrere Schaffensphasen festmachen. In seinem Liedschaffen spannt sich der Bogen von ersten Werken wie »Gretchen am Spinnrade« (1814) aus seiner Jugend- und Studienzeit bis hin zu den großen letzten Zyklen »Winterreise« (1827) und »Schwanengesang« (1828).
Liederjahre
In den sogenannten Liederjahren zwischen 1814 und 1817 entstanden viele von Schuberts bekanntesten Vokalkompositionen. Er vertonte Gedichte etwa von Goethe, Mayrhofer, Hölty, Claudius, Klopstock, Schiller oder Schlegel und bildete angeregt durch die ganz unterschiedlichen Texte seinen eigenen Liedstil heraus. Zu dieser Zeit wurde beispielsweise auch »An den Mond« (1815) geschrieben. Es folgten Jahre des Umbruchs, der Neuorientierung, des Experimentierens und auch der Schaffenskrise, in denen sich Schubert nach den Klassikern nun eher romantischen Inhalten zuwandte und der Instrumentalmusik widmete. Die frühere Volkstümlichkeit, die viele seiner Lieder durchzog, wich nun bedeutungsschwereren Themen. Beispielhaft für diese Phase könnte etwa das Lied »Suleika I« (1821) stehen mit seinem erotisch aufgeladenen Text.
Schuberts letzte, reife Schaffensperiode begann etwa mit dem Jahr 1823 und der Komposition der »Schönen Müllerin«, ebenso ragen aus diesen letzten fünf Jahren Werke wie die große C-Dur-Symphonie, das Streichquartett »Der Tod und das Mädchen« oder das Streichquintett in C-Dur (D 956) heraus. Aber auch die beiden schlichten Refrainlieder »Die Unterscheidung« und »Die Männer sind méchant« oder die Drei Klavierstücke (D 946) entstanden in Schuberts letztem Lebensjahr 1828.
Gemeinschaftliches Singen
Gerade im Bereich der Gesellschaftsmusik, zu dem ein Großteil von Schuberts Liedschaffen zu zählen ist, kamen um 1800 mehrstimmige Vokalkompositionen in Mode als Teil der bürgerlichen Musikkultur und des gemeinschaftlichen Singens. Schuberts Stücke für mehrere Männer- oder Frauenstimmen – zum Teil a cappella, zum Teil mit Klavier- oder sonstiger Instrumentalbegleitung – als Chorlieder zu bezeichnen, erscheint jedoch nicht ganz richtig, weil sie seinerzeit meist solistisch besetzt waren. Nur sehr selten verwendete Schubert selbst die Bezeichnung »coro«, zumal es im Wien des frühen 19. Jahrhunderts noch keinen institutionalisierten Männerchor gab.
Liebhaberchöre wie den der Gesellschaft der Musikfreunde, die regelmäßig Konzerte veranstaltete, gab es hingegen schon, und so kamen Schuberts mehrstimmige Lieder oftmals schneller einer breiteren Öffentlichkeit zu Gehör, als seine im privaten Kreis aufgeführten Sololieder. Damit hatte die Gesellschaftsmusik den Schritt in den Konzertsaal getan; Schuberts Name tauchte erstmals am 25. Januar 1821 auf den Programmen der Musikfreunde auf, deren als »Abendunterhaltung« bezeichnete Konzerte etwa im Gundelhof, im Haus »Zum roten Igel« in den Tuchlauben oder im Redoutensaal stattfanden.
Erst 1828 erschienen drei um 1825 komponierte A-cappella-Lieder für Männerstimmen (D 825) als kleiner Zyklus im Druck, in denen sich ein Bogen spannt vom sehnsuchtsvollen Ton in »Wehmut«, durchzogen von der Nachahmung des Schlags einer Glocke im Bass, über das romantische Bekenntnis zum Minnesang in »Ewige Liebe« bis hin zum Drang in die Freiheit der Natur in »Flucht«.
In »Nachthelle« dialogisiert der Männerchor fast als eine Art Echo mit einem Solotenor. Das Lied schwingt sich vom zarten Silberglanz des Beginns zu einem lichtdurchfluteten, emphatischen Höhepunkt auf, wenn sich der Text von Johann Gabriel Seidl ins Transzendente weitet. Eine ganz andere Nachtstimmung kreiert Schubert in »Der Gondelfahrer« (D 809), einer sanft wiegenden Barkarole, in der das Glitzern des Mondlichts auf den venezianischen Kanälen geradezu hörbar wird.
Insgesamt fünf Mal hat Schubert Mignons »Nur wer die Sehnsucht kennt« aus Goethes »Wilhelm Meister« vertont. Die ungewöhnliche Anlage für fünfstimmigen Männerchor von »Sehnsucht« (D 656) stellt allerdings auch in Schuberts mehrstimmigen Liedern eine Besonderheit dar, und durch eine differenzierte Harmonik und die raffinierte Textbehandlung kommt der tiefe Seelenschmerz Mignons zum Ausdruck, der lediglich durch die Besetzung mit Männerstimmen eine gewisse Distanzierung erfährt.
Das »Ständchen« (D 920) schrieb Schubert als Geburtstagsserenade für eine Schülerin der mit ihm befreundeten Sängerin Anna Fröhlich, die die Singschule des Wiener Konservatoriums leitete. Das Stück wurde als Komposition für Alt-Solo, Frauenquartett und Klavier bestellt, von Schubert jedoch versehentlich für ein vierstimmiges Männerensemble in Töne gesetzt, da er den Auftrag falsch verstanden hatte.
Mehrstimmige Werke für Frauenstimmen
Überhaupt existieren von Schubert nur sehr wenige mehrstimmige Werke für Frauenstimmen, und diese waren fast immer für die Schülerinnen der Singschule von Anna Fröhlich bestimmt. So auch das hymnische »Gott in der Natur« (D 757) und die Vertonung des 23. Psalms »Gott ist mein Hirt« (D 706), die im Rahmen einer Konservatoriumsprüfung am 30. August 1821 zum ersten Mal gesungen wurde und 1828 bei einer »Abendunterhaltung« der Gesellschaft der Musikfreude erstmals öffentlich aufgeführt wurde.
Religiöse Musik, nicht für die Kirche
Schuberts geistliche Werke waren meist als Auftragskompositionen für den liturgischen Gebrauch entstanden. Schon hier machte sich jedoch ein relativ freier Umgang mit religiösen Texten bemerkbar, der darauf hindeutet, dass es Schubert weit mehr um den Ausdruck einer Komposition ging, als um die Vermittlung des Glaubens. Mehrfach schrieb er deshalb auch Stücke religiösen Inhalts, die nicht für die Kirche bestimmt waren.
Eine herausragende Stellung nimmt hier »Mirjams Siegesgesang« (D 942) ein, wo sich schließlich Männer- und Frauenchor vereinen und das israelitische Volk verkörpern. Der Chor antwortet einem Solosopran als Vorsängerin. Dieses groß angelegte Werk mit einem Text von Franz Grillparzer schildert den Auszug des Volks Israel aus Ägypten mit der Prophetin Mirjam an der Spitze. Ihr Lobgesang umschließt drei Sätze in kontrastierenden Tempi, die unterschiedliche Stimmungen heraufbeschwören, und mündet schließlich in eine Chorfuge, die das Werk beschließt. Diese Kantate geht weit über den geselligen Charakter von Schuberts kleineren Chorkompositionen hinaus und war nun auch nicht mehr für den privaten Rahmen der Hausmusik bestimmt, sondern für eine breitere Öffentlichkeit im Konzertsaal.
Interpreten
Bei den Klangkörpern des BR ist Christina Landshamer seit Jahren regelmäßig zu Gast und gestaltete mit dem BR-Chor die Sopranpartien u.a. in Bachs »Weihnachtsoratorium« in Luzern, Basel und München sowie in Konzertmitschnitten von Mozarts c-Moll- und Bachs h-Moll-Messe.
Die gebürtige Münchnerin zählt zu den begehrten Sopranistinnen auf den großen Opern- und Konzertbühnen. Ihre Zusammenarbeit mit Riccardo Chailly, Christian Thielemann oder Roger Norrington führte sie zu international bedeutenden Orchestern wie dem Concertgebouworkest, dem Orchestre de Paris oder dem New York Philharmonic. Bei den Salzburger Festspielen begeisterte sie als Frasquita in »Carmen«, und bei der Dresdner Silvestergala sang sie mit Anna Netrebko. Auch in den USA hat sich Christina Landshamer als feste Größe etabliert, so etwa in der New Yorker Carnegie Hall und als Sophie in einer »Rosenkavalier«-Produktion in Chicago. Mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra sang sie unter der Leitung von Manfred Honeck die Sopran-Partien in Mahlers »Auferstehungssymphonie« auf. Als Solistin wirkte sie u.a. in CD- und DVD-Produktionen der »Matthäus-Passion« von Bach und der Vierten Symphonie von Mahler mit, jeweils unter Riccardo Chailly.
Zu den Engagements aus jüngerer Zeit zählen Auftritte in Mendelssohns »Lobgesang-Symphonie« mit den Münchner Philharmonikern unter Thomas Hengelbrock und dem Cleveland Symphony Orchestra unter Franz Welser-Möst sowie in Mozarts c-Moll-Messe mit dem NHK Symphony Orchestra Tokio, dem BRSO und dem NDR Elbphilharmonie Orchester jeweils unter Herbert Blomstedt. Ferner singt sie in Bachs »Johannes-Passion« mit dem Concertgebouw Orkest Amsterdam unter Trevor Pinnock und in Bachs h-Moll-Messe mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Andris Nelsons. Mit dem European Union Youth Orchestra ist Christina Landshamer unter Iván Fischer in Mahlers Vierter Sinfonie in Italien, Wien und Grafenegg zu erleben wie auch mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi in Beethovens »Missa solemnis«.
Mit ihrer warmen, lyrischen Sopranstimme gilt Christina Landshamer als stilsichere Liedsängerin: Auf ihrer ersten Lied-CD kombiniert sie Lieder von Robert Schumann und Viktor Ullmann. Mit ihrem Klavierpartner Gerold Huber gastiert sie u.a. bei der Schubertiade Schwarzenberg und in der Wigmore Hall London.
Justus Zeyen ist gebürtiger Kieler und nahm zunächst Klavierunterricht bei Cord Garben, bevor er in Hannover u.a. bei Karl Engel und Bernhard Ebert studierte. Konzerte als Solist und Kammermusiker, hauptsächlich aber als Liedpianist, führen Justus Zeyen durch Europa, die USA und Japan. Dabei trat er mit Juliane Banse, Christiane Karg, Dorothea Röschmann, Diana Damrau, Measha Brueggergosman, Florian Boesch, Michael Schade sowie den mit den Chören des BR, MDR und SWR auf.
Liederabende gab Justus Zeyen etwa an der Mailänder Scala, im Theater an der Wien, der Elbphilharmonie Hamburg, bei den Berliner und Wiener Festwochen, den Münchner Opernfestspielen, den Festwochen Bad Kissingen, beim Schleswig-Holstein Musik Festival und bei der Schubertiade Schwarzenberg. Außerhalb Europas ist er beim Mostly Mozart New York, beim Tanglewood Music Festival sowie beim Tokyo Spring Festival und beim Oregon Bach Festival vertreten. Seit ersten gemeinsamen Konzerten beim Kammermusikfest Lockenhaus 1994 verband Justus Zeyen eine sehr enge Zusammenarbeit mit Thomas Quasthoff. CD-Veröffentlichungen mit Justus Zeyen wurden mit dem Echo Klassik, dem Cannes Award und dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet und beim Grammy nominiert. Konzerte des Chores des Bayerischen Rundfunks begleitet Justus Zeyen bereits seit 2002.
Gesangstexte
Der Gondelfahrer
für Männerchor und Klavier, D 809
Verse von Johann Mayrhofer (1787–1836)
Es tanzen Mond und Sterne
den flücht’gen Geisterreih’n:
wer wird von Erdensorgen
befangen immer sein!
Du kannst in Mondesstrahlen
nun, meine Barke, wallen;
und aller Schranken los,
wiegt dich des Meeres Schoß.
Vom Markusturme tönte
der Spruch der Mitternacht:
Sie schlummern friedlich alle,
und nur der Schiffer wacht.
Nachthelle
für Tenor-Solo, Männerchor und Klavier, D 892
Verse von Johann Gabriel Seidl (1804–1875)
Die Nacht ist heiter und ist rein
im aller hellsten Glanz.
Die Häuser schau’n verwundert drein,
steh’n übersilbert ganz.
In mir ist’s hell so wunderbar,
so voll und übervoll,
und waltet drinnen frei und klar
ganz ohne Leid und Groll.
Ich fass’ in meinem Herzenshaus
nicht all’ das reiche Licht,
es will hinaus, es muss hinaus,
die letzte Schranke bricht.
Drei Lieder für Männerchor, D 825:
I. Wehmut
Verse von Heinrich Hüttenbrenner (1799–1830)
Die Abendglocke tönet,
vom Himmel sinkt die Ruh;
das Auge grambetränet
nur schließet sich nicht zu.
Dass meine Jugend fliehet
allein und ungeliebt,
dass jeder Kranz verblühet,
das ist, was mich betrübt.
Und als ich sie gefunden,
war Herz und Welt nur Lust,
und seit sie mir entschwunden,
ist Atmen ein Verlust.
Der Strom aus Felsen quillend,
die Berge lieben nicht;
nurs arme Herz, das fühlend,
so leicht von Kummer bricht.
O töne, sanft Geläute,
ins stille Tal hinab,
der Morgen deckt das Heute,
den Gram das Grabeshaus.
II. Ewige Liebe
Verse von Ernst Konrad Friedrich Schulze (1789–1817)
Ertönet, ihr Saiten,
in nächtlicher Ruh’
und führet von weitem
die Träume mir zu!
schon hör ich sie schallen
im schwellenden Klang;
sie füllen die Hallen
mit Liebesgesang
und wiegen und tragen
den sinkenden Mut
durch stürmisches Zagen
auf tönender Flut.
Die nimmer erklangen
für Fürsten und Gold,
jetzt sind sie gefangen
um bitteren Sold
und geben mit Freuden
um kargen Gewinn
und reichliche Leiden
ihr Köstlichstes hin.
Doch trifft auch die Lieder
manch finsterer Blick,
stets kehren sie wieder
zur Herrin zurück.
O könnt’ ich’s ersingen,
das goldene Ziel!
O könnt’ ich’s erringen
im Schlachtengewühl!
Vergebens begegnen
sich Leyer und Schwert;
sie hält den Verwegnen,
den Milden nicht wert.
Und gäb ich für Liebe
mein Leben auch gern,
stets bleibt er mir trübe,
der freundliche Stern.
Gewagt und gewonnen!
schrieb mancher aufs Schwert;
gewagt und zerronnen
ist mir nur beschert.
Doch lass ich es wallen,
das edle Panier,
und soll es auch fallen,
so fall’ es mit mir!
Denn würdig der Beute
ist nimmer der Mann,
der fliehend im Streite
sein Leben gewann.
Mag schnell sich in Gluten
verzehren das Herz,
und mag es verbluten
im zaudernden Schmerz;
ich nähre die Wunde,
ich liebe mein Leid
und lasse die Kunde
der kommenden Zeit:
Die immer aufs neue
sein Herz ihm betrübt,
die hat der Getreue
noch sterbend geliebt.
Die Unterscheidung
für Sopran-Solo und Klavier, D 866/1
Verse von Johann Gabriel Seidl
Die Mutter hat mich jüngst gescholten,
und vor der Liebe streng gewarnt:
»Noch jede«, sprach sie, »hat’s entgolten:
Verloren ist, wen sie umgarnt!« –
Drum ist es besser, wie ich meine,
wenn kein’s von uns davon mehr spricht!
Ich bin zwar immer noch die Deine:
Doch lieben – Hans! kann ich dich nicht!
Vor allem, Hans, vergiss mir nimmer,
dass du nur mich zu lieben hast;
mein Lächeln sei dir Lust nur immer,
und jeder andern Lächeln – Last.
Ja, um der Mutter nachzugeben,
will ich mich, treu der Doppelpflicht,
dir zu gefallen stets bestreben:
Doch lieben, Hans – kann ich dich nicht!
Bei jedem Feste, das wir haben,
soll’s meine größte Wonne sein,
flicht deine Hand des Frühlings Gaben
zum Schmucke mir ins Mieder ein.
Beginnt der Tanz – dann ist – wie billig –
ein Tanz mit Gretchen deine Pflicht;
selbst eifersüchtig werden will ich:
Doch lieben, Hans – kann ich dich nicht!
Und sinkt der Abend kühl hernieder,
und ruh’n wir dann, recht mild bewegt,
halt immer mir die Hand ans Mieder,
und fühle, wie mein Herzchen schlägt.
Und willst du mich durch Küsse lehren,
was stumm dein Auge zu mir spricht,
selbst das will ich dir nicht verwehren:
Doch lieben, Hans – kann ich dich nicht!
Die Männer sind méchant
für Sopran-Solo und Klavier, D 866/3
Verse von Johann Gabriel Seidl
Du sagtest mir es, Mutter:
Er ist ein Springinsfeld!
Ich würd’ es dir nicht glauben,
bis ich mich krank gequält!
Ja, ja, nun ist er’s wirklich;
ich hatt’ ihn nur verkannt!
Du sagtest mir’s, o Mutter:
»Die Männer sind méchant!«
Vor’m Dorf im Busch, als gestern
die stille Dämm’rung sank,
da rauscht’ es: »Guten Abend!«
Da rauscht’ es: »Schönen Dank!«
Ich schlich hinzu, ich horchte;
ich stand wie festgebannt:
Er war’s mit einer Andern –
»Die Männer sind méchant!«
O Mutter, welche Qualen!
Es muss heraus, es muss! –
Es blieb nicht bloß beim Rauschen,
es blieb nicht bloß beim Gruß!
Vom Gruße kam’s zum Kusse,
vom Kuss zum Druck der Hand,
vom Druck, ach liebe Mutter! –
»Die Männer sind méchant!«
Drei Lieder für Männerchor, D 825:
III. Flucht
Verse von Karl Gottlieb Lappe (1773–1843)
In der Freie will ich leben.
in dem Sarge dumpft der Tod.
Sieh nur dort das Abendrot
um die heitern Hügel weben.
In der Freie blüht das Leben,
in der Enge hockt die Not.
Eilt, drum eilt hinaus zu streben,
eh das Herz zu stocken droht!
Licht und Luft und Raum ist not.
In der Freie will ich leben.
Traute Vögel, lasst uns schweben,
folgsam der Natur Gebot.
Sehnsucht
für Männerchor, D 656
Verse von Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Nur wer die Sehnsucht kennt,
weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
von aller Freude,
seh’ ich ans Firmament
nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt,
ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
von aller Freude,
seh’ ich ans Firmament
nach jener Seite.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
weiß, was ich leide.
Allein und abgetrennt.
An den Mond
für Sopran-Solo und Klavier, D 193
Verse von Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748–1776)
Geuß, lieber Mond, geuß deine Silberflimmer
durch dieses Buchengrün,
wo Phantasien und Traumgestalten
immer vor mir vorüberfliehn.
Enthülle dich, dass ich die Stätte finde,
wo oft mein Mädchen saß,
und oft, im Wehn des Buchbaums und der Linde,
der goldnen Stadt vergaß.
Enthülle dich, dass ich des Strauchs mich freue,
der Kühlung ihr gerauscht,
und einen Kranz auf jeden Anger streue,
wo sie den Bach belauscht.
Dann, lieber Mond, dann nimm den Schleier wieder,
und trau’r um deinen Freund,
und weine durch den Wolkenflor hernieder,
wie dein Verlassner weint!
Suleika
für Sopran-Solo und Klavier, D 720
Verse von Marianne von Willemer (1784–1860)
Was bedeutet die Bewegung?
Bringt der Ost mir frohe Kunde?
Seiner Schwingen frische Regung
kühlt des Herzens tiefe Wunde.
Kosend spielt er mit dem Staube,
jagt ihn auf in leichten Wölkchen,
treibt zur sichern Rebenlaube
der Insekten frohes Völkchen.
Lindert sanft der Sonne Glühen,
kühlt auch mir die heißen Wangen,
küsst die Reben noch im Fliehen,
die auf Feld und Hügel prangen.
Und mir bringt sein leises Flüstern
von dem Freunde tausend Grüße;
eh’ noch diese Hügel düstern,
Grüßen mich wohl tausend Küsse.
Und so kannst du weiter ziehen!
Diene Freunden und Betrübten.
Dort wo hohe Mauern glühen,
dort find’ ich bald den Vielgeliebten.
Ach, die wahre Herzenskunde,
Liebeshauch, erfrischtes Leben
wird mir nur aus seinem Munde,
kann mir nur sein Atem geben.
Ständchen
für Alt-Solo, Männerchor und Klavier, D 920
Verse von Franz Grillparzer (1791–1872)
Zögernd leise
in des Dunkels nächt’ger Hülle
sind wir hier;
und den Finger sanft gekrümmt,
leise, leise,
pochen wir
an des Liebchens Kammertür.
Doch nun steigend,
schwellend, schwellend, hebend,
mit vereinter Stimme, laut
rufen aus wir hochvertraut:
Schlaf du nicht,
wenn der Neigung Stimme spricht!
Sucht’ ein Weiser nah und ferne
Menschen einst mit der Laterne;
wieviel seltner dann als Gold
Menschen, uns geneigt und hold?
Drum, wenn Freundschaft, Liebe spricht,
Freundin, Liebchen, schlaf du nicht!
Aber was in allen Reichen
wär’ dem Schlummer zu vergleichen?
Drum statt Worten und statt Gaben
sollst du nun auch Ruhe haben.
Noch ein Grüßchen, noch ein Wort,
es verstummt dir frohe Weise,
Leise, leise,
schleichen wir, ja, schleichen wir uns wieder fort!
Gott ist mein Hirt
für Frauenchor und Klavier, D 706
Verse: 23. Psalm
Gott ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln,
er lagert mich auf grüne Weide,
er leitet mich an stillen Bächen,
er labt mein schmachtendes Gemüt,
er führt mich auf gerechtem Steige
zu seines Namens Ruhm.
Und wall’ ich auch im Todesschatten-Tale,
so wall’ ich ohne Furcht,
denn du beschützest mich;
dein Stab und deine Stütze
sind mir immerdar mein Trost.
Du richtest mir ein Freudenmahl
im Angesicht der Feinde zu,
du salbst mein Haupt mit Öle
und schenkst mir volle, volle Becher ein,
mir folget Heil und Seligkeit in diesem Leben
nach, einst ruh’ ich ew’ge Zeit
dort in des Ew’gen Haus.
Gott in der Natur
für Frauenchor und Klavier, D 757
Verse von Ewald Christian von Kleist (1715–1759)
Groß ist der Herr! Die Himmel ohne Zahl
sind Säle seiner Burg,
sein Wagen Sturm und donnerndes Gewölk’
und Blitze sein Gespann.
Die Morgenröt’ ist nur ein Widerschein
von seines Kleides Saum;
und gegen seinen Glanz ist Dämmerung
der Sonne flammend Licht.
Er sieht mit gnäd’gen Blick zur Erd’ herab,
sie grünet, blüht und lacht.
Er schilt; es fähret Feuer von Felsen auf,
und Meer und Himmel bebt.
Lobt den Gewaltigen, dem großen Herrn,
ihr Lichter seiner Burg,
ihr Sonnenheere! flammt zu seinem Ruhm!
Ihr Erden singt sein Lob!
Mirjams Siegesgesang
für Sopran, Chor und Klavier, D 942
Verse von Franz Grillparzer (1791–1872)
Rührt die Cymbel, schlagt die Saiten,
lasst den Hall es tragen weit;
groß der Herr zu allen Zeiten,
heute groß vor aller Zeit.
Chor: Groß der Herr zu allen Zeiten,
heute groß vor aller Zeit.
Aus Ägypten vor dem Volke,
wie der Hirt, den Stab zur Hut,
zogst du her dein Stab die Wolke,
und dein Arm des Feuers Glut!
Chor: Zieh ein Hirt vor deinem Volke,
stark dein Arm, dein Auge Glut.
Und das Meer hört deine Stimme,
tut sich auf dem Zug, wird Land.
Scheu des Meeres Ungetüme
schaun durch die kristallne Wand.
Chor: Wir vertrauten deiner Stimme,
traten froh das neue Land.
Doch der Horizont erdunkelt,
Ross und Reiter löst sich los,
Hörner lärmen, Eisen funkelt:
Es ist Pharao und sein Tross.
Chor: Herr, von der Gefahr umdunkelt,
hilflos wir, dort Mann und Ross.
Und die Feinde, mordentglommen,
drängen nach auf sich’rem Pfad;
jetzt und jetzt – da horch, welch Säuseln,
Wehen, Murmeln, Dröhnen – Sturm!
’s ist der Herr in seinem Grimme,
einstürzt rings der Wasserturm.
Mann und Pferd,
Ross und Reiter
eingewickelt, umsponnen,
vom Netze der Gefahr.
Zerbrochen die Speichen ihrer Wagen,
tot der Lenker, tot das Gespann.
Tauchst du auf, Pharao?
Hinab, hinunter,
hinunter in den Abgrund,
schwarz wie deine Brust.
Und das Meer hat nun vollzogen,
lautlos rollen seine Wogen,
nimmer gibt es, was es barg,
Eine Wüste, Grab zugleich und Sarg.
Chor: Tauchst du auf, Pharao?
Hinab, hinunter,
hinunter in den Abgrund,
schwarz wie deine Brust.
Schrecklich hat der Herr vollzogen,
lautlos ziehn des Meeres Wogen;
wer errät noch, was es barg?
Frevlergrab zugleich und Sarg. –
Drum mit Cymbeln und mit Saiten,
lasst den Hall es tragen weit,
groß der Herr zu allen Zeiten,
heute groß vor aller Zeit.
Chor: Groß der Herr zu allen Zeiten,
heute groß vor aller Zeit.