1. The Sick Rose
O Rose thou art sick.
The invisible worm,
that flies in the night
in the howling storm:Has found out thy bed
of crimson joy;
and his dark secret love
does thy life destroy.
(William Blake, Songs of Experience, 1794)
2. The Tyger
Tyger Tyger, burning bright,
in the forests of the night;
what immortal hand or eye,
could frame thy fearful symmetry?
In what distant deeps or skies,
burnt the fire of thine eyes?
On what wings dare he aspire?
What the hand, dare seize the fire?
And what shoulder, and what art,
could twist the sinews of thy heart?
And when thy heart began to beat,
what dread hand? And what dread feet?
What the hammer? What the chain,
in what furnace was thy brain?
What the anvil? What dread grasp,
dare its deadly terrors clasp?
When the stars threw down their spears
and water’d heaven with their tears:
Did he smile his work to see?
Did he who made the Lamb make thee?
Tyger Tyger burning bright,
in the forests of the night:
What immortal hand or eye,
dare frame thy fearful symmetry?
(William Blake, Songs of Experience, 1794)
3. A Cradle Song
Sweet dreams form a shade
o’er my lovely infant’s head;
sweet dreams of pleasant streams
by happy, silent, moony beams.
Sweet sleep with soft down
weave thy brows an infant crown.
Sweet sleep angel mild,
hover o’er my happy child.
Sweet smiles in the night
hover over my delight;
sweet smiles, mother’s smiles,
all the livelong night beguiles.
Sweet moans, dovelike sighs,
chase not slumber from thy eyes.
Sweet moans, sweeter smiles,
all the dovelike moans beguiles.
Sleep sleep happy child,
all creation slept and smil’d;
sleep sleep happy sleep,
while o’er thee thy mother weep.
Sweet babe, in thy face
holy image I can trace.
Sweet babe, once like thee,
thy maker lay and wept for me,
wept for me, for thee, for all,
when He was an infant small.
Thou His image ever see,
heavenly face that smiles on thee
Smiles on thee, on me, on all;
who became an infant small.
Infant smiles are His own smiles;
heaven and earth to peace beguiles.
(William Blake, Songs of Innocence, 1789)
4. Spring
Sound the flute!
Now it’s mute.
Birds delight
day and night.
Nightingale
in the dale
lark in sky
merrily
merrily merrily
to welcome in the year.
Little boy
full of joy.
Little girl
sweet and small.
Cock does crow
so do you.
Merry voice
infant noise
merrily merrily
to welcome in the year.
Little lamb
here I am,
come and lick
my white neck.
Let me pull
your soft wool.
Let me kiss
your soft face.
Merrily merrily
we welcome in the year.
(William Blake, Songs of Innocence,1789)
Sumer is icumen in,
lhude sing cuccu!
Groweth sed and bloweth med
and springth the wdenu,
sing cuccu!
Awe bleteth after lomb,
lhouth after calve cu;
bulluc sterteth, bucke verteth,
Murie sing cuccu!
Cuccu, cuccu, wel singes thu cuccu;
ne swik thu naver nu.
Sumer is icumen in …
Sing cuccu.
(Kanon aus Mittelengland, um 1300)
Frère Jacques, frère Jacques,
dormez-vous? Dormez-vous?
Sonnez les matines …
(Französisches Kinderlied, mündlich überliefert)
5. A Divine Image
Cruelty has a human heart
and jealousy a human face
terror the human form divine
and secrecy, the human dress
the human dress, is forged iron
the human form, a fiery forge.
The human face, a furnace seal’d
the human heart, its hungry gorge.
(William Blake, Songs of Experience, 1794)
6. Night
The sun descending in the west;
the evening star does shine;
the birds are silent in their nest,
and I must seek for mine.
The moon, like a flower
in heaven’s high bower,
with silent delight
sits and smiles on the night.
Farewell, green fields and happy groves,
where flocks have took delight,
where lambs have nibbled, silent moves
the feet of angels bright;
unseen, they pour blessing,
and joy without ceasing,
on each bud and blossom,
and each sleeping bosom.
They look in every thoughtless nest
where birds are covered warm;
they visit caves of every beast,
to keep them all from harm:
If they see any weeping
that should have been sleeping,
they pour sleep on their head,
and sit down by their bed.
When wolves and tigers howl for prey,
they pitying stand and weep;
seeking to drive their thirst away,
and keep them from the sheep.
But, if they rush dreadful,
the angels, most heedful,
receive each mild spirit,
new worlds to inherit.
And there the lion’s ruddy eyes
shall flow with tears of gold:
And pitying the tender cries,
and walking round the fold,
saying: »Wrath by His meekness,
and, by His health, sickness,
is driven away
from our immortal day.
And now beside thee, bleating lamb,
I can lie down and sleep,
or think on Him
who bore thy name,
grase after thee, and weep.
For, washed in life’s river,
my bright mane for ever
shall shine like the gold,
as I guard o’er the fold.«
(William Blake, Songs of Innocence, 1789)
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Die kranke Rose
Ach Rose, wie bist du krank.
Der verborgene Wurm,
der nächtens auszieht
im Tosen des Sturms:Er hat entdeckt dein Bett,
vor Freude errötend;
seine dunkle, verborg’ne Liebe
bringt dir Leid und Tod.
(Übersetzung von Alexander Heinzel)
Der Tiger
Tiger, Tiger, Feuerspracht,
in den Dschungeln dunkler Nacht:
Welches Aug, welch ew’ge Hand
formten deines Schreckens Brand?
In welch’ Himmeln ungeheuer
schmolzen deiner Augen Feuer?
Auf welch’ Flügeln, unbenannt,
flog der, der ergriff den Brand?
Welcher Schulter Können wand
deines Herzens Sehnenstrang?
Wer, als Herzens Schlag begann,
furchtbar Hand und Fuß ersann?
Welche Kett’ und Hammer fand
in welch’ Kessel den Verstand?
Welcher Amboss, welche Welt
deine Todesschrecken hält?
Als der Sterne Speer herab
Tränen unserm Himmel gab:
Hat vollbracht er’s und gelacht,
sowohl Lamm wie dich gemacht?
Tiger, Tiger, Feuerspracht
in den Dschungeln dunkler Nacht:
Welches Auge, welche Hand
wagten deines Schreckens Brand?
(Übersetzung nach William Auld)
Ein Wiegenlied
Süße Träume, werft einen Schatten
über den Kopf meines lieblichen Kindes;
süße Träume von sanften Bächen
in vergnügt, still strahlendem Mondlicht.
Süßer Schlaf, mit weichem Flaum,
webe dem Kindlein eine Krone.
Süßer Schlaf, milder Engel,
schwebe über meinem glückseligen Kind.
Süßes Lächeln in der Nacht,
schwebe über meinem Glück;
süßes Lächeln, Mutterlächeln,
überwindet die lebenslange Nacht.
Süße Seufzer, sanftmütige Seufzer,
jagt nicht den Schlummer aus deinen Augen.
Süße Seufzer, noch süßeres Lächeln,
überwindet all die sanftmütigen Seufzer.
Schlaf, schlaf, glückseliges Kind,
die ganze Schöpfung schläft und lächelt;
Schlaf, Schlaf, glückseliger Schlaf,
während deine Mutter in Sorge über dich wacht.
Süßes Kindlein, in deinem Gesicht,
sehe ich ein heiliges Abbild.
Süßes Kind, einst wie bei dir,
dein Schöpfer wachte und sorgte für mich.
Sorgte für mich, für dich, für alle,
als er noch ein kleines Kindlein war.
Durch sein Abbild sieh du immer,
ein göttlich Gesicht, dass es gut mit dir meint.
Es lächelt für dich, für mich, für alle;
er, der selbst ein kleines Kindlein wurde.
Kinderlächeln ist sein eigenes Lächeln,
das Himmel und Erde im Frieden vereint.
(Übersetzung von Friederike Kezia Walch)
Frühling
Lass die Flöte tönen!
Schon verklungen.
Zur Freude der Vögel,
Tag und Nacht.
Nachtigall
im Tal,
Lerche in den Lüften,
fröhlich,
fröhlich, fröhlich
begrüßen wir die Jahreszeit.
Kleiner Junge,
freudenvoll.
Junges Mädchen,
zierlich, süß.
Es kräht der Hahn,
wie du,
liebes Stimmchen,
Säuglingsschrei
fröhlich, fröhlich
begrüßen wir die Jahreszeit.
Lämmlein,
hier bin ich,
komm und lecke
meinen hellen Hals.
Lass mich kraulen
deine weiche Wolle.
Lass mich herzen
dein feines Gesicht.
Fröhlich, fröhlich
begrüßen wir die Jahreszeit.
(Übersetzung von Friederike Kezia Walch)
Der Sommer ist gekommen,
Kuckuck, singe laut!
Es wächst die Saat, die Wiese grünt,
und das Gehölz schlägt aus,
singe, Kuckuck!
Das Schaf blökt nach dem Lamm,
die Kuh muht nach dem Kalb.
Der Ochse rührt sich, der Bock lässt einen fahren,
singe froh, Kuckuck!
Kuckuck, Kuckuck, wie schön singst du, Kuckuck;
nun schweige niemals mehr.
Der Sommer ist gekommen …
Sing, Kuckuck.
(Kanon aus Mittelengland, um 1300)
Bruder Jakob, Bruder Jakob,
schläfst du noch? Schläfst du noch?
Hörst du nicht die Glocken …
(Französisches Kinderlied, mündlich überliefert)
Ein göttlich’ Antlitz
Grausamkeit hat ein menschliches Herz
und Eifersucht ein solches Antlitz,
Schrecken ist der Menschen Gottheit
und Geheimnis ist sein Kleid,
des Menschen Kleid ist geschmiedet’ Eisen,
sein Äußeres eine glühende Schmiede,
sein Antlitz ein verschlossener Ofen,
das menschlich’ Herz ein gieriger Schlund.
(Übersetzung von Friederike Kezia Walch)
Nacht
Es senkt sich die Sonne im Westen,
der Abendstern erstrahlt;
still wird es im Vogelnest,
und auch ich muss heimkehren.
Der Mond, wie eine Blume
am hohen Firmament,
dort sitzt er in stiller Freude
und lächelt in die Nacht.
Lebewohl, grüne Au und heit’rer Hain,
wo die Herde genussvoll weidet’,
wo Lämmlein grasten, still wandeln
sanften Schrittes strahlende Engel;
unbemerkt verströmen sie Wohltat,
auch Freude ohne Ende,
über Knospe und Blüte
und in jeden schlafenden Schoß.
In jedes behütete Nest sehen sie,
wo Vögel warm bedeckt;
ein Blick in jedes belebte Erdenloch,
sie alle zu schützen vor Leid:
Gibt es dort Tränen,
wo geruht soll werden,
streuen sie Schlaf übers Haupt
und wachen an jedem Bett.
Wenn Wolf und Tiger nach Beute heulen,
steh’n sie mitleidig und weinen;
suchen deren Durst zu stillen
und sie abzuhalten von den Schafen.
Doch wenn sie sich entsetzlich eilen
und besonders achtsam sind,
empfangen die Engel jedes sanfte Gemüt,
um neue Welten zu erfassen.
Und das wilde Augʼ des Löwen
wird benetzt, mit Tränen aus Gold:
Und mitleidserregend der Zärtliche weint,
und während er um den Pferche streicht, spricht: »Zorn in seiner Sanftmut,
und Schwäche in seinem Gemüt,
wird ausgemerzt sein,
am Tage der Unsterblichen.
Und nun, neben dir, du blökendes Lamm,
kann ich niederliegen und schlummern,
und dem gedenken,
der dein Namen hervorbrachte
trachte nach ihm und weinʼ aus den Kummer.
Denn im Fluss des Lebens
meine glänzendʼ Mähne wird rein gewaschen für immer,
wird strahlen wie Gold,
wenn ich über diesem Pferch wache.«
(Übersetzung von Friederike Kezia Walch)
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