Zusammenklang der Kulturen und Epochen

Seit 40 Jahren ist Rupert Huber beim BR-Chor der Dirigent für Spezialfälle

An seine erste Begegnung mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks im Jahr 1983 erinnert sich Rupert Huber noch genau. Nachdem er sich mit einem semiprofessionellen Kammerchor bereits einen gewissen Namen gemacht hatte, wurde er eingeladen sich vorzustellen, als eine Chorleiterstelle ausgeschrieben war.

Rupert Huber (Foto: Klaus Fleckenstein)

»Ich bekam Werke des Renaissance-Komponisten Ludwig Senfl und Kreneks Die Jahreszeiten vorgelegt und dachte mir bei der ersten Probe noch, was für ein unpräziser Chor das doch ist.« Seine Nervosität steigerte sich noch, als der damalige Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters Colin Davis den Raum betrat und der Probe lauschte. Mit der Stelle hat es schließlich zwar nicht geklappt, jedoch war es der Beginn einer mittlerweile 40-jährigen intensiven Zusammenarbeit. Aus dem seinerzeit ein wenig »unkultivierten Haufen« ist längst ein Spitzenensemble geworden.

Aus seiner frühen Zeit mit dem BR-Chor hat Huber die liebsten Erinnerungen an die Aufführung von Robert Schumanns Romanzen op. 69 – nur ein Jahr nach dem ersten Kennenlernen. »Eine sehr gelungene Produktion«, wie er rückblickend meint. Schumann sollte zu einer Konstante in seinem Schaffen werden, als Dirigent und als Komponist. So hat er oft in seinen eigenen Werken über Schumann reflektiert, etwa in dem 1991 komponierten und 2004 auch mit dem BR-Chor aufgeführten Stück Der kranke Mann, Variationen und Phantasie über ein Thema von Robert Schumann. Wenn er diesem Werk Worte des Schamanen Heq aus dem Volk der Inuit unterlegt, dann zeigt sich daran auch Hubers Interesse an fremden Kulturen, Religionen, Denkweisen und Philosophien, das immer in seine Werke und Konzertprogramme mit einfließt.

Rupert Huber (Foto: Klaus Fleckenstein)

Mit Holunder für Chor a cappella hatte Huber 1987 erstmals eine eigene Komposition mit dem BR-Chor erarbeitet. Es folgten 1995 Trinklied nach einem Gedicht von Anakreon/Eduard Mörike, Wermut nach einem Text aus der Apokalypse (1996) und Großes Geleitmodem für 48 Stimmen und Schalenglocken (1999), oft in ungewöhnlichen Kombinationen mit Werken anderer Komponisten.

Seit 2000 präsentierte Rupert Huber die großen, experimentellen Konzertprogramme, mit denen er gemäß seinem künstlerischen Credo Schnittstellen zwischen Kulturen, Epochen und Musikstilen schaffen wollte. Dabei musizierte er oftmals gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern aus anderen Musiktraditionen, wie 2008 dem ägyptischen Madih-Ensemble für das Stück ruh-i-gulab – Die Seele der Rose nach einem Gedicht von Galalad-Din Rumi oder 2012 mit dem persischen Ensemble Dastan für Nachklang – Rose.

Das Zusammenspiel zwischen Orient und Okzident war häufig Thema in Hubers Konzerten, die nicht selten eine gewisse performative Komponente hatten. Oft schwang ein spiritueller Geist mit, und indem Huber mit den Sängerinnen und Sängern den Klang beeinflussende Bewegungen erarbeitete oder ihnen Instrumente wie Klangschalen oder Trommeln an die Hand gab, hatten die Aufführungen bisweilen etwas Rituelles an sich. Die Uraufführung von Das Licht der Öllampe 2019 darf als einer der Höhepunkte solcher programmatisch-kompositorischer Konzepte gelten.

Der Brückenschlag zwischen Ausführenden und Zuhörenden ist für Rupert Huber von entscheidender Bedeutung. In diesem Sinne möchte er Verbindungen schaffen zwischen Musik-Machen und Musik-Rezipieren, aber auch zwischen Musik und Lebensrealität. Solche Verbindungen nennt er Modem, ein Begriff, der in vielen seiner Werktitel auftaucht, wie etwa das »Modem« Mein Venedig nach einem Gedicht von Rose Ausländer für gemischten Chor, Schalenglocken, Okarinas und Röhren. Wenn Huber dieses Werk 2009 mit Stücken von Brahms, Mendelssohn, Rossini und Schumann kombinierte, dann zeigt sich daran seine Suche nach epochen- und kulturübergreifenden Anknüpfungspunkten. Gemeinsam mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks hat er sich immer wieder auf Reisen durch Klassisches und Experimentelles begeben und in diesem Klangkörper einen inspirierten und inspirierenden Partner gefunden, um unterschiedliche Formen des Denkens zusammenzubringen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes Einklang zu erzeugen.

Florian Heurich

Hinter die Kulisse blicken
Probenstreiflichter mit Rupert Huber

Das Licht der Öllampe (video, 2019)

Vier Uraufführungen (video, 2017)

 

aDevantgarde-Festival 2021

Konzertvideo vom Dienstag, 29. Juni 2021 aus dem Münchner Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke

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»Über die Grenzen« lautete das Motto des aDevantgarde-Festivals von 2021, zu dem das Konzert-Event gehört. Das Einende und das Trennende thematisieren die Komponisten Rupert Huber, Sandeep Bhagwati und Robert Moran in ihren Werken, in denen auch improvisierte Elemente eine wichtige Rolle spielen.

Rupert Huber
U+1F637 für Männerstimmen
Uraufführung der Neufassung

Sandeep Bhagwati
Let Them Not Say für acht Solistinnen aus dem Chor
Uraufführung, komponiert im Auftrag des Festivals aDevantgarde

Rupert Huber
Rein ins draußen für Damenstimmen und Semantron
Uraufführung

Robert Moran
Border Crossings für gemischtes Vokalensemble

Donald Manuel Semantron
Chor des Bayerischen Rundfunks
Rupert Huber Leitung

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