Zwischen Schumann, Schamanen und orientalischer Mystik
Rupert Huber und der Chor des Bayerischen Rundfunks. Von Florian Heurich
Als Rupert Huber im Oktober 1983 im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks Ernst Kreneks Jahreszeiten sowie Die sieben Worte am Kreuz des Renaissance-Komponisten Ludwig Senfl dirigierte, war dies der Beginn einer mittlerweile fast 40-jährigen kontinuierlichen Zusammenarbeit mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks.

Schon damals zeichneten sich in dieser unkonventionellen Werkauswahl bereits Hubers künstlerische Absichten ab. Bis heute erzeugt er in seinen Konzertprogrammen eine Spannung zwischen unterschiedlichen Epochen, Kulturen, Religionen und Denkweisen.
Wenig später, im Jahr 1984, tauchte eine weitere Konstante in Hubers Schaffen auf: Er dirigierte Robert Schumanns Romanzen für Frauenstimmen Opus 69 und damit das Werk eines Komponisten, mit dem er sich nach wie vor als Dirigent und als Komponist intensiv beschäftigt, wenn er in eigenen Werken über Schumann musikalisch philosophiert.
So etwa in dem 1991 komponierten und 2004 auch mit dem BR-Chor aufgeführten Der kranke Mann – Variationen und Phantasie über ein Thema von Robert Schumann, dem er Worte des Eskimoschamanen Heq unterlegte.
Bereits 1987 hatte Rupert Huber erstmals eine seiner eigenen Kompositionen mit dem BR-Chor erarbeitet, Holunder für gemischten Chor a cappella. Es folgten Trinklied nach einem Gedicht von Anakreon/Eduard Mörike (1995), Wermut nach einem Text aus der Apokalypse (1996) und Großes Geleitmodem für 48 Stimmen und Schalenglocken (1999), häufig in ungewöhnlichen programmatischen Kombinationen uraufgeführt.

Ab 2000 gestaltete Rupert Huber dann die großen, experimentellen Konzertprogramme, mit denen er gemäß seinem künstlerischen Credo Schnittstellen schaffen will zwischen den Kulturen, Epochen und Musikstilen. Und das nicht nur in einen eigenen Kompositionen und deren Verbindung mit Stücken des Repertoires, sondern auch im gemeinsamen Musizieren mit Künstlern aus anderen Musikkulturen: mit dem ägyptischen Madih-Ensemble für das Stück ruh-i-gulab (Die Seele der Rose, 2008) nach einem Gedicht von Dschalal ad-Dın Ru-mı oder mit dem persischen Ensemble Dastan für Nachklang – Rose (2012) – Konzerte, in denen die orientalische Mystik und das Zusammenspiel zwischen Ost und West thematisiert wurde.
Dabei kommt auch immer eine performative Komponente mit ins Spiel. Der Aspekt des Musikmachens, der Herstellung des Klangs, des Zusammenspiels der Stimmen mit Instrumenten wie Klangschalen oder Trommeln, sowie der Brückenschlag zwischen Ausführenden und Zuhörenden sind für Huber von entscheidender Bedeutung. Solche Schnittstellen und Verbindungen zwischen verschiedenen Ebenen der Musik und der Wirklichkeit im allgemeinen, die Huber Modem nennt (ein Begriff, der in den Titeln vieler seiner Werke auftaucht), zeigte sich auch in einem Konzertprogramm zum Thema Venedig im Jahr 2009, in dem sein Modem für gemischten Chor, Schalenglocken, Okarinas und Röhren »Mein Venedig« nach einem Gedicht von Rose Ausländer neben Werken von Brahms, Mendelssohn, Rossini und natürlich Schumann zu hören war.
Der Chor des Bayerischen Rundfunks begleitete Rupert Huber auf solchen Reisen durch Klassisches und Experimentelles mehr als drei Jahrzehnte lang nicht nur mit ausdrucksstarker Stimme, sondern auch als Bindeglied zwischen den unterschiedlichsten Ebenen des Klangs und des künstlerischen Denkens.
aDevantgarde-Festival 2021
Konzertvideo vom Dienstag, 29. Juni 2021 aus dem Münchner Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke

»Über die Grenzen« lautete das Motto des aDevantgarde-Festivals von 2021, zu dem das Konzert-Event gehört. Das Einende und das Trennende thematisieren die Komponisten Rupert Huber, Sandeep Bhagwati und Robert Moran in ihren Werken, in denen auch improvisierte Elemente eine wichtige Rolle spielen.
Rupert Huber
U+1F637 für Männerstimmen
Uraufführung der Neufassung
Sandeep Bhagwati
Let Them Not Say für acht Solistinnen aus dem Chor
Uraufführung, komponiert im Auftrag des Festivals aDevantgarde
Rupert Huber
Rein ins draußen für Damenstimmen und Semantron
Uraufführung
Robert Moran
Border Crossings für gemischtes Vokalensemble
Donald Manuel Semantron
Chor des Bayerischen Rundfunks
Rupert Huber Leitung